Finnland, Reiseplanung, Unterwegs
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Die Wildnis zum Greifen nah – Lappland-Sommer pur im Herzen Enontekiös

Das finnische Dorf Hetta ist der ideale Ausgangspunkt für zahlreiche Aktivitäten in der Weite der Fjell-Region — nicht nur für erfahrene Outdoor-Enthusiasten. 

Blick vom Aussichtspunkt Jyppyrä über den Ounasjärvi und die Fjell-Kette

Steine knirschen unter den Schuhen beim kurzen Aufstieg zum Aussichtspunkt Jyppyrä. Noch ein paar Schritte und der Blick geht in die Weite, über Wälder, den Ounasjärvi mit der fast herzförmigen Insel Karjalansaari bis zur Fjell-Kette Pallas-Ounastunturi. Ein atemberaubender Ausblick, der den Besucher die Weite der wilden Natur Enontekiös erahnen lässt. Eine Landschaft, die einst auch das literarische Werk des finnischen Tierarztes und Schriftstellers Yrjö Kokko prägte. Das im äußersten Nordwesten Finnisch Lapplands gelegene und von Fjell-Landschaft umgebene Hetta ist das Herz Enontekiös und vielen als Ausgangspunkt für den Fernwanderweg Hetta-Pallas bekannt, doch wer sich etwas Zeit nimmt, sich genauer umzusehen und etwas länger bleibt, den werden die schier endlosen Möglichkeiten überraschen, die die Region für Outdoor-Freunde jeden Alters und jeden Fitnessgrads bereithält. Und eines ist gewiss: Es sind auch die Menschen, die diese Region so besonders machen.

Der Transfer zum Beginn der Fjellwanderung führt mit dem Boot über den Ounasjärvi

Zu Besuch bei den Huskys  in Hetta

Wir werden schon erwartet und herzlich begrüßt, als wir auf die Huskyfarm in Hetta einbiegen. Eine Ausfahrt mit den Huskys steht auf dem Programm, doch zunächst lernen wir die Farm und ihre Bewohner kennen. Britin Anna und Finne Pasi sind ehemalige Profisportler, die sich erstmals im tibetischen Hochplateau am Startpunkt eines internationalen Rennens trafen. Als sie 2005 einen Ort suchten, um sich niederzulassen, die Huskyfarm aufzubauen und eine Familie zu gründen, wünschten sie sich eine schneesichere Region, nicht zu weit von den Bergen entfernt, viel Natur, die dennoch gut angebunden an das Straßennetz sein sollte. So fiel die Wahl fast selbstverständlich auf Hetta. „Wir möchten, dass die Gäste eine gute Zeit hier haben. Dabei ist uns verantwortungsbewusstes Reisen und Aufklärung sehr wichtig. Das macht das Erlebnis am Ende für Mensch, Tier und Natur besser.“ Wie Anna das meint erfahren wir bei einem Rundgang über das riesige Gelände. Hier ist viel Platz, um die Hunde entsprechend ihrer Bedürfnisse zu versorgen. Ganz am Rand des Geländes entspannen einige der älteren Hunde unbeeindruckt in der Sonne, während die Jungtiere schon aufgeregt auf den Besuch und den damit verbundenen kleinen Ausflug und die Streicheleinheiten warten. Wir erhalten einen umfassenden Einblick, wie der Alltag auf der Farm aussieht und packen mit an, statt nur zu konsumieren.

Sommeraktivitäten in Hetta

„Achtung! Single Trail!“ ruft Anna uns zu. „Nicht zu viel denken, einfach mir nach!“ Wir sind noch zu einer kleinen Tour mit dem Rad aufgebrochen und ehe wir uns versehen lenken wir unsere E-Mountainbikes über einen schmalen, einspurigen Waldweg und haben ein breites Lächeln im Gesicht, nachdem wir die Passage gemeistert haben. Annas Sohn ist diese Strecke schon als kleines Kind gefahren, aber erstens haben Kinder ja auch vor nichts Angst und zweitens muss man ja irgendwo anfangen, zwinkert sie uns zu. Die Region hier ist nicht nur für Wanderer, sondern auch für Mountainbiker ein echtes Paradies. Das Terrain wechselt ständig von schroffen Felsen zu dichten Wäldern, erzählt Anna uns. Es ist teils anspruchsvoll, teils für absolute Neulinge geeignet. An einem Bohlenweg steigen wir dann doch lieber ab und schieben ein kleines Stück. So entdecken wir auch noch die Fauna und Flora des Waldes und Anna zeigt uns einige Kräuter, die wir noch nicht kannten oder schlicht nicht erkannt hätten. „Probier mal. Das schmeckt köstlich im Salat.“ Sie hat recht und so tauchen wir ganz nebenbei mit allen Sinnen in die Region ein, während wir die Fahrt fortsetzen. 

Mountainbiketouren auf ausgewiesenen Strecken
Kanufahren auf dem Ounasjärvi

Gastfreundschaft und Tradition in Finnisch-Lappland

Eine Jahreszahl über dem Hoteleingang fällt uns ins Auge. 1924. „Meine Familie ist schon länger hier“, erzählt Tiina, die Chefin des Hetan Majatalo uns, nachdem wir in die lichtdurchfluteten Zimmer eingecheckt haben. „1924 hatten wir aber dann die ersten zahlenden Gäste. Ich leite das Hotel in vierter Generation.“ Das Hotel ist damit Lapplands ältester touristischer Betrieb in der gleichen Familie. Auch ihre Mutter arbeitet noch aktiv im Hotel mit und ihr Mann ist der Koch, bei Bedarf aber auch Barkeeper, Rezeptionist und Handwerker. Das sei üblich in Hetta. Die meisten Hotels und Unternehmen seien von einheimischen Familien geführt und das mache den Reiz auch aus. Gäste und Gastgeber schätzen den unkomplizierten Kontakt und die persönlichen Atmosphäre. „Hetta ist ein kleines, authentisches Dorf und typisch für Lappland. Massentourismus gibt es hier nicht.“ Doch verstecken muss das 700-Seelen-Dorf sich keinesfalls. „Es ist klein, aber bietet alles was man braucht“, sagt Tiina. Und schon alleine die Natur und die Ruhe mache die Region doch zu einem traumhaften Reiseziel und genau das wolle man erhalten. Dabei sind Schlagwörter wie „nachhaltiger Tourismus“ nichts Neues für die Menschen in Hetta. „Nachhaltigkeit ist schon immer etwas völlig Selbstverständliches für uns.“ Man lebt mit der Natur. Die Jahreszeiten geben den Takt vor und Tiina kann die Frage nach ihrer Lieblingsjahreszeit nicht beantworten. „Ich liebe sie alle acht.“ Acht? Ja, sagt Tiina, in Lappland gibt es acht Jahreszeiten. Darüber könnten wir in der Ausstellung des Naturzentrums noch mehr erfahren. Sie jedenfalls liebe den Winter sehr, aber genieße jetzt auch einfach die Sommerzeit, die Zeit der nachtlosen Nächte, zwischen der Schneeschmelze im späten Frühling und der Erntesaison im Frühherbst, wenn die Natur sich langsam bereit macht für eine letzte Farbexplosion vor dem Beginn des Winters. 

Zu Gast bei Tiina und ihrer Familie
Auch vom Wasser aus zu sehen: Die Kirche in Hetta

Unterwegs im und ums Fjell

Der Nationalpark mit seinen zahlreichen Wanderwegen liegt direkt vor der Haustür und so schnüren auch wir die Wanderschuhe und verstauen das Kartenmaterial aus dem Besucherzentrum. Hier haben wir auch die Ausstellung „Vuovjjuš” (Wanderer) angesehen, in der der Besucher das Nomadenvolk der Samen durch die Geschichte, das Fjell und die acht Jahreszeiten begleiten kann. Eine Ausstellung, die noch mal einen ganz neuen Blickwinkel auf die umgebende Natur eröffnet. Mit diesen Gedanken und Proviant im Gepäck wandern wir durch den Wald, sehen Rentiere, passieren Seen, sehen Wollgras, sammeln Beeren und steigen hinauf ins Fjell. Wir rasten an einer der Wildnishütten und spüren, wie wir mit jedem Schritt Ballast abwerfen und entspannen können. Als wir gestern abend noch die Strandsauna des Hetan Kota besuchten, sagte Besitzer Janne zu uns, dass die Gegend die Gäste verändere, wenn sie sich darauf einließen. Er beobachte immer wieder, wie die Masken fallen und sie plötzlich ganz sie selbst sein könnten. Entspannt und frei. Auch wir fühlen das, mit den Füßen fest auf dem Boden des Fjells, das Gesicht in der Sonne, mit leichtem Wind in den Haaren und ein paar Blaubeeren in der Hand.

Hüttenromantik und nicht vergessen: Alles schmeckt besser mit draußen 😉

Das pure Lappland

Die weite Reise in den hohen Norden lohnt sich. In der Fjell-Region Enontekiös, die seit jeher die Heimat der Rentiere und Rentierzüchterfamilien ist, kann man wortwörtlich aufatmen und entschleunigen. Eine atemberaubende Landschaft, in der man sich verlieren und finden kann liegt direkt vor der Haustür und bietet genug Raum und Möglichkeiten für alle. Und was braucht es am Ende mehr, außer Menschen, die das Herz am rechten Fleck tragen, der klarsten Luft Europas, der Weite des Fjells und der Stille der Wildnis? Hier lässt es sich noch erleben, das pure Lappland. 

Tipps für deinen Urlaub in Hetta/Enontekiö:

Anreise:

  • Zug: Mit dem Nachtzug von Helsinki nach Kolari.
  • Flug: nach Kittilä.

Von Kolari bzw. Kittilä aus geht es mit dem Mietwagen in etwa zwei Stunden nach Hetta. Alternativ mit dem Bus von Flughafen bzw. Bahnhof nach Hetta. 

Übernachten:

Heimatmuseum Enontekiö

Aktivitäten:

  • Der direkt vor der Haustür gelegene Pallas-Yllästunturi Nationalpark lädt zu zahlreichen Outdooraktivitäten ein. www.nationalparks.fi/pallas-yllastunturinp/trails
  • Im Naturzentrum „Tunturi-Lapin luontokeskus“ erhält der Besucher ausführliche Informationen zum Nationalpark und den umliegenden Fjell-Gebieten, kann Touren buchen, Kartenmaterial erhalten, sowie Angel- und Jagderlaubnisse. Des Weiteren ist das Zentrum für die Vermietung der Wildnisnütten in und um den Nationalpark zuständig. Es beherbergt ausserdem eine Ausstellung über die Kultur der Samen, einen kleinen Shop, ein Café und organisiert regelmäßig verschieden Veranstaltungen. www.luontoon.fi/tunturi-lapinluontokeskus
  • Aussichtspunkt „Jyppyrä“: Direkt neben dem Besucherzentrum führt ein kurzer, markierter Weg auf einen 400 m hohen Gipfel mit Schutzhütte, Feuerstelle und Aussicht über die Fjell-Kette Pallas-Ounastunturi und den Ounasjärvi.
  • Hetta Huskies: Husky-Touren und Farmbesuche auf der mehrfach mit einem Nachhaltigkeitspreis ausgezeichneten Huskyfarm, aber auch (E-)Mountainbike-Touren, Kanu- und Kajak-Ausflüge und vieles mehr. https://hettahuskies.com/de
  • Die Kirche von Enontekiö: Mitten im Zentrum des Dorfes auf einem Hügel gelegen. Sie wurde vom Architekten Veikko Larkas entworfen und 1952 geweiht
  • Heimatmuseum Enontekiö: Kleines, aber liebevoll hergerichtetes Museum mit mehreren Gebäuden. Drei Kilometer außerhalb von Hetta in Richtung Vuontisjärvi. 
  • Vogelbeobachtung: Der nach dem Tierarzt und Schriftsteller Yrjö Kokko benannte Aussichtstrum, liegt 9,5 Kilometer vom Besucherzentrum in Richtung Vuontisjärvi auf der Straße 956. 
  • Silberschmiede und privates Museum: Die älteste Silberschmiede der Region, „Hetta Silver“ ist spezialisiert auf Lappland typischen Schmuck und zeigt außerdem etwa 250 alte Werkzeuge und Utensilien, die die Geschichte der Region widerspiegeln. https://hettasilver.com/museo/

Tipp:

Hotelbetreiber, Tourenanbieter und lokale Unternehmen sind im kleinen Hetta gut vernetzt und arbeiten selbstverständlich Hand in Hand. Transfers zum Ausgangspunkt oder vom Endpunkt einer Wanderung z.B. sind kein Problem und in der Unterkunft ist man gerne behilflich eine bestimmte Aktivität zu buchen und zu organisieren — persönlich und individuell. 

Transparenzhinweis: Dieser Artikel entstand bereits 2021 im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Nordis-Magazin und erschien zuerst in deren Ausgabe 1/22

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