Geschichten aus dem Norden, Norwegen, Schweden, Vanlife
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Mittsommerreise

Von der Magie der Mittsommernacht, Kindheitsträumen, einer besonderen Reise gen Norden und der Erkenntnis, dass manchmal der Weg das Ziel ist. 

Ich bin ein Mittsommerkind, geboren am Tag der Sommersonnenwende vor, nunja, sagen wir ein paar Jährchen. Ein Grund vielleicht für meine frühe Affinität für das Mittsommerfest im Norden und Skandinavien im allgemeinen. Ich weiss es nicht genau. Als Kind liebte ich jedenfalls die Midsommar-Geschichte der Kinder aus Bullerbü. Ich spürte, diese Nacht hat irgendetwas magisches. Ich glaubte auch als Erwachsene noch, dass man sie finden und spüren kann, diese Magie. Und ich hatte meinen ganz eigenen Mittsommertraum: Einmal zu Mittsommer ganz oben im Norden sein, wo die Sonne kaum oder gar nicht hinter dem Horizont verschwindet, die Mitternachtssonne die Landschaft in ein unwirkliches Licht taucht und man gefangen ist zwischen Tag und Nacht. Wunderschön und manchmal grausam zugleich. Ich wollte ans Nordkap. Allen Touristenbussen zum Trotz fahren bis Europas nördlichste Straße an der Barentssee endet, einem Randmeer des Nordpolarmeeres. Ich wollte der Mitternachtssonne ganz nah sein, wissend, dass das Wetter dort oben ein launisches Biest sein kann.

Es ist nicht unsere erste Reise zum Nordkap, wir waren schon einmal dort. Damals fuhren wir über Finnland gen Norden und ich verlor überraschenderweise einen Teil meines Herzens in diesem Land. Das war so gar nicht geplant. Aber das ist eine andere Geschichte. Nun geht es wieder los mit dem Wohnmobil. Dieses Mal fahren wir allerdings über Schweden, nachdem wir uns beim Großvater meines Mannes verabschiedet haben. Er hat es auch, dieses Nordlandfieber, aber kann nicht mehr reisen. Wir versprechen ihm ihn in Gedanken mitzunehmen und klemmen sein Foto an die Sonnenblende des Fahrersitzes. Und dann geht es los. Von Rostock geht es mit der Fähre nach Trelleborg und von dort nach Eksjö. Wir singen im Auto das Pippi-Langstrumpf-Lied, besuchen die Astrid-Lindgren-Welt und die Räubertochter „kehrt heim“ in die Mattisburg. Wir reisen weiter, essen Waffeln in Bullerbü, kaufen Bonbons in Mariannelund, besichtigen Michels Holzschuppen, sehen zwei Elche, die bei Östersund in einem Wohngebiet seelenruhig die Straße überqueren und begegnen Füchsen und Rentieren auf unserem Weg. Wir überqueren erneut den Polarkreis, entdecken in Kautokeino eine Silberschmiede, die selbst ein wahres Kunstwerk ist und sprechen mit faszinierenden Menschen. Auf dem Rückweg treffen wir auf eine samische Hochzeitsgesellschaft. Wir nächtigen am Porsangerfjord und blicken eine gefühlte Ewigkeit auf das Wasser, während Tümmler an uns vorbeiziehen. Diese Mittsommerreise hat schon jetzt etwas magisches und wir sind noch nicht einmal am Ziel. Oder vielleicht doch? Sagt man nicht, der Weg sei das Ziel? 

Und dann ist er da, der große Tag. Geweckt werde ich durch ein Klopfen an der Wohnmobiltür. Die „Nachbarin“ hat ein Teelicht auf dem schönsten Stein des sie am Ufer des Porsangerfjordes finden konnte drapiert und singt ein Ständchen für mich. Auf holländisch. Wir fahren die letzte Etappe zum Nordkap und begegnen Willi, einem alten Kauz, der mit seinem Deutz-Trekker „Robert“ und seinem Wohnwagen „Schnecke“ auch zum Nordkap fährt. Nur eben nicht so schnell. Er gratuliert ebenfalls und kramt aus Wohnwagen Schnecke ein Schnäpschen, dass ich aber erst am Nordkap trinken darf und Autogrammkarten. Schliesslich ist er sowas wie berühmt. Er wünscht uns alles Gute für die letzte Etappe.

Wir setzen die Fahrt fort und es wird still im Wohnmobil. Wir rollen über das gigantische Plateau zum Nordkap und ich denke, wer die Landschaft hier oben öde nennt, der hat nichts verstanden. Als wir ankommen ist es voll und regnet, die berühmte Kugel ist kaum zu sehen, die See erst recht nicht, aber es ist ohnehin Zeit für einen Geburtstagskaffee im Wohnmobil mit dem Schnaps von Willi. Es ist alles gut, wie es ist und diese Reise ein Geschenk.

Und später in der Nacht, als die Busse längst weg und nur noch ein paar Menschen mit uns an diesem Ort sind, der Wind an meinen Haaren zerrt und ich ohnehin schon glücklich bin, hört der Regen auf und plötzlich hebt sich der Wolkenschleier. Gerade genug, dass die Sonne das Meer berührt. Für einen kurzen magischen Moment, bevor es wieder dunkel und regnerisch wird. Als habe sich ein Schatzkästchen für einen winzigen Augenblick geöffnet und uns ein Geheimnis offenbart. Zu Mittsommer ist alles möglich, richtig? 

Unser magischer Mittsommermoment am Nordkap 2015

Meist kann ich zu Mittsommer leider nicht im Norden sein, dann hole ich mir das Gefühl in den südhessischen Garten. In meinem Artikel zu Mittsommer habe ich einige Tipps und Wissenswertes zusammengetragen.


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