Finnland, Unterwegs
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Ein echtes “Hidden Gem” Finnlands: Der Skulpturenpark Parikkala

Es ist ein lauer Juli-Abend. Wir sind unweit der russischen Grenze im Osten Finnlands unterwegs, das Wohnmobil gleitet über die Route 6 und die Abendsonne fällt durch die Birken am Wegesrand. Plötzlich glaube ich, ein Augenpaar zwischen den Blättern zu erblicken. Da, schon wieder. Es scheint sich um unzählige Skulpturen zu handeln. Wir bremsen ab, wenden und entdecken einen der wahrscheinlich überraschendsten Orte Finnlands. 

Eintauchen in eine andere Welt

Der Kies knirscht unter den Reifen, als wir unser Wohnmobil, das rollende Mökki, auf den kleinen Parkplatz lenken. Neugierig folgen wir dem roten Schild zwischen den Bäumen, dass uns den Weg zum Eingang weist. „Patsaspuisto“ steht darauf, Statuen- oder Skulpturenpark. Der Park ist rund um die Uhr zugänglich. Das Eintrittsgeld, das in die Instandsetzung und Erhaltung des Parks fließt, wirft man einfach in einen Kasten oder zahlt im kleinen Lädchen in der Mitte der Anlage, wenn dieser offen hat.

Neugierig folgen wir den Betonplatten mit den Hand- und Fußabdrücken auf dem Boden und stehen direkt vor dem wahrscheinlich faszinierendsten und größten Werk in diesem Garten. Über 250 Statuen in den verschiedensten Yogaposen stehen eng beieinander und haben eine morbide Anziehungskraft, der man sich kaum entziehen kann. Auf den Tafeln am Wegrand erfahren wir nun auch, wem wir diesen Ort eigentlich zu verdanken haben. Veijo Rönkkönen hieß der Künstler, den wir in diesen Statuen, die er erschaffen hat, wiederfinden können, sind es doch Selbstporträts, die ein Monument der Erinnerung an seinen jungen Körper darstellen. Doch wer war dieser Veijo Rönkkönen eigentlich? 

Das Leben und Wirken des Veijo Rönkkönen

Wer den etwa einen halben Hektar großen Skulpturenpark des finnischen Künstlers Veijo Rönkkönen (1942-2010) in Koitsanlahti bei Parikkala betritt, der entdeckt eine andere Welt. Eine Welt, an und in der Rönkkönen über 50 Jahre lang gearbeitet hat. Der mystische Garten mit etwa 560 Statuen aus Beton und weiteren Kunstwerken ist nicht weniger als sein Lebenswerk. Ein so reichhaltiger Kunstschatz voller Kreativität, dabei hat der Künstler die Gegend nie wirklich verlassen. Als Jüngster von vier Geschwistern blieb er bei den Eltern, begann mit 16 in einer Papierfabrik zu arbeiten und kaufte von seinem ersten Gehalt zehn Apfelbaumsetzlinge. Er pflanzte die Setzlinge im Garten hinter dem Haus und legte so den Grundstein für den Ort seiner Kreativität und seines künstlerischen Schaffens. Diese Kunstform war seine Art, mit der Außenwelt in Kontakt zu treten. Statt die Welt zu bereisen, lud er sie zu sich in den Garten ein, aus dem er sich nie weit entfernte. Auch als er 2007 eine Auszeichnung vom finnischen Ministerium für Kultur und Bildung erhielt, entschied er sich, diese nicht persönlich entgegenzunehmen. Der Fotograf, Filmemacher und Visual Artist Veli Granö nahm die Auszeichnung in seinem Namen entgegen. Obwohl er bereits zu Lebzeiten große Anerkennung für sein Werk erhielt, wagte Rönkkönen nicht zu hoffen, dass der Skulpturenpark nach seinem Ableben erhalten bleiben würde. Vielleicht könne man den Ort unter Sand begraben, damit seine Figuren wie die berühmte Terakottaarmee die Zeit überdauern, hoffte er. Er bezweifelte, dass jemand bereit sein würde, sich um den Park zu kümmern. Doch das sollte sich als Irrtum herausstellen. Als der Künstler verstarb, kaufte Reino Uusitalo, ein Geschäftsmann aus Pyhtää, das Gelände, und setzte einen Vorstand ein, der sich unter anderem um die praktischen Angelegenheiten des Parks kümmerte, Mitarbeiter einstellte, eine Bestandsaufnahme durchführte und sich um die Instandhaltung und Restauration der Statuen bemühte. Bis heute.

Veijo Rönkkönen im Schwimmteich in seinem Garten, wenige hundert Meter vor der russischen Grenze.

Im Tal der Glücklichen

Uns führt der Weg weiter durch den Garten und den Park, um den Shop, das alte Wohnhaus und die Werkstatt herum, an immer wieder neuen Statuen vorbei.

Im Tal der Glücklichen reitet eine Statue auf einem Kamel, Frauen tragen Tonschalen auf dem Kopf und vor dem geheimen Garten stehen drei imposante Statuen in römisch anmutenden Gewändern.

Während einige Statuen eine fröhliche Leichtigkeit ausstrahlen, wirken andere eher melancholisch oder düster, einige sogar verstörend. Dieser Eindruck ist auch dem Umstand geschuldet, dass manche Figuren echte Zähne und Glasaugen tragen. Mal wirkt dieser Ort morbide und befremdlich, mal einladend und zauberhaft.

Die Abendsonne scheint in den Garten, als wir am Schwimmteich vorbei durch das kleine Wäldchen zurückgehen und noch einmal an den Yogafiguren vorbeikommen. Sie sind zwar in einem guten Zustand, aber im Gegensatz zu den meisten anderen Skulpturen im Park sind sie von Moos überwachsen und werden nicht restauriert. Es war der Wille ihres Erbauers, hier der Natur ihren Lauf zu lassen und den Yogapark ganz langsam in einen ewigen Schlaf gleiten zu lassen.

Ganz im Gegensatz zu einem anderen Werk, das Rönkkönen in seinem letzten Sommer beendete. Es ist eine der größten Ansammlungen von Skulpturen in seinem Reich. Er arbeitete seit Jahren daran und verarbeitete so nach dem Tod seiner Mutter auch seine Vergangenheit. Es ist eine Parade hunderter fröhlich turnender Kinder, die sich, angeführt von einem kleinen Trommler, aus der Mitte des Parks Richtung Außenwelt bewegen. Sein inneres Kind war endlich bereit, dieser Außenwelt entgegenzutreten. 

Auf dem Weg zurück zum Wohnmobil schweigen wir. Wir sind tief eingetaucht in die kleine Welt des Veijo Rönkkönen, das uns auf seltsame Art und Weise berührt und verzaubert hat. 

An Ostern 2010 hatte Rönkkönen den Tag mit etwas Yoga begonnen, Feuer gemacht, seine Runde durch sein Reich gedreht und war in Imatra zum Schwimmen gewesen. Zurück zuhause überfiel ihn die Müdigkeit und er legte sich schlafen. Von diesem Nickerchen erwachte er nicht mehr und verließ diese Welt, doch sein märchenhaftes Reich blieb bis heute erhalten und wird hoffentlich auch noch in ferner Zukunft die Menschen verzaubern.

Anfahrt und Infos zum Skulpturenpark Parikkala

Der Skulpturenpark Parikkala liegt etwa 310 km nordöstlich von Helsinki an der russischen Grenze. Der Park befindet sich in Koitsanlahti, direkt an der Route 6, etwa 8 km entfernt vom Stadtzentrum Parikkalas. Der Parkplatz befindet sich direkt neben dem Eingang. 

Adresse: Kuutostie 611, 59130 Koitsanlahti, Finnland

Öffnungszeiten: Ganzjährig und rund um die Uhr

Eintrittspreise: Kinder 2 € / Erwachsene 5 € / Familien 10 € / Gruppen 50 € — Stand 2021

Rönkkönen wollte, dass sein Garten für jeden zugänglich ist, doch da es keine öffentliche Förderung gibt, ist man auf die Einnahmen angewiesen, um die Skulpturen zu erhalten. Unterstützer können auch zeitlich begrenzte Patenschaften für einzelne Statuen oder Skulpturgruppen übernehmen. 

Homepage: http://www.patsaspuisto.net/


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