Spitzbergen – 2 Couchpotatoes in der Arktis (Teil 3)
In Teil 1 und Teil 2 habe ich euch bereits mitgenommen zu chaotischen Reiseplanungen, unserer Anreise auf Spitzbergen und unserem Start in das Abenteuer Arktis. Hier kommt der 3. und letzte Teil der Serie.
Tatsächlich wird das Wetter nicht viel besser auf Spitzbergen. Auch in den nächsten Tagen nicht. Anton schüttelt den Kopf. Dieses Jahr sei das Wetter wirklich verrückt. Alle Regeln die seit jeher galten sind hinfällig. Wir nehmen es wie unser Guide mit einem Schulterzucken hin und machen das Beste daraus. Immerhin sitzen wir nicht wie die Truppe vor uns mit alle Mann in einem Zelt fest, sondern können weiter fahren. Wie das auszuhalten war, während des Sturms, frage ich Anton. „Kuchen“ ist seine kurze Antwort, die Erklärung genug sein muss.
Es gibt Momente, da ist dieser mürrische Trapper fast sympathisch, doch die vergehen schnell. Ich gewöhne mich daran in der Regel mürrisch angeschnauzt zu werden, während wir das Nachtlager verpacken uns dick einmummeln und mit dem Schlitten weiter fahren. In den insgesamt 5 Tagen trotzen wir dem Wetter, durchfahren arktische Täler, sehen Spitzbergen Ren (deutlich kleiner als die auf dem Festland lebenden Verwandten), Robben und einmal ganz in der Ferne einen Eisbären.
Die Kamera versagt den Dienst, als wolle uns jemand sagen: Nutze deine Augen. Sieh wirklich hin, nimm wahr und lerne. Die Natur ist mächtig und wir so verschwindend klein darin. Geduldete Gäste. Wenn überhaupt. Auf dem Schlitten hast du viel Zeit zum Nachdenken, wenn du nur deinen Atem, den Wind und die Hunde vor dir hörst. Es führt kein Weg daran vorbei über „das große Ganze“ nachzudenken und es ist ebenso gut wie beängstigend. Ich weiss nicht, ob es nur mir so ging, aber diese Tage mit den Hunden in der Arktis haben etwas mit mir gemacht. Wenn Zeit und Raum verschwimmen im hellen Grau der stürmischen Täler, dann lernst du Demut. Ich kann anhand der Aufzeichnungen sagen, wann wir wo waren, doch viel einprägsamer waren einzelne Momente, Geräusche, Gerüche und Gedanken. Ich kenne noch heute alle Namen „meiner“ Hunde und fühle Dankbarkeit, wenn ich an sie denke. Ohne die Tiere wären wir aufgeschmissen gewesen und umgekehrt ebenso. Eine Zweckgemeinschaft. Aber eine schöne.
An der Stelle muss ich es los werden … Danke …
Danke Scott und Nyalla. Sie waren die beiden Leaddogs meines Gespanns. Ich fuhr immer etwas Schlangenlinien. Scott ist Nyallas Sohn erklärte mir Anton und er wollte sich beweisen, aber sie liess ihn noch nicht so. Gegen Ende wurde meine Spur gerader. Danke Fjell und Rask. Ich muss heute noch lachen, wenn ich an euch zwei Rabauken in der Mitte denke. Die Geschwister waren kaum auseinander zu halten und kämpften spielerisch miteinander sobald der Schlitten stand. Jedesmal musste ich sie aus dem verhedderten Geschirr befreien. Danke an Arctus und Riva. Die beiden kräftigen Wheeldogs. Arctus mit seiner Narbe auf der Nase und seinem Knurren beim Anziehen des Geschirrs machte mir anfangs Angst, doch völlig unbegründet. Es ging ihm nur nie schnell genug und hinter der rauen Schale steckte der nahbarste Vierbeiner des ganzen Gespanns. Danke ihr sechs. Euch vergesse ich nicht. Wenn ich an Spitzbergen denke, dann immer auch an euch.
Das klingt als sei ich nonstop demütig durch die Arktis geschlichen. Ganz so war es natürlich auch nicht. Wir hatten auch lustige Momente und weniger schöne. Weniger schön war, dass im Ort der Noro-Virus ausgebrochen war und auch Antons Haus erreicht hatte, wie seine Frau nach unserer Abreise feststellen musste. So waren wir nicht lange unterwegs, bis auch unsere Reisegruppe bemerkte, dass wir diesen ungebetenen Gast mitgenommen hatten. Wir hatten Glück, daß es uns nicht völlig von den Füßen zog und wir dennoch die Tour fortsetzen konnten um zum Beispiel an einen Gletscherabbruch zu fahren.
Alle sind ratlos, als Anton uns mitteilt der nächste Stop sei „the shit in the ice“. Wir sehen uns verständnislos an und zucken mit den Schultern. Nicht fragen. Einfach machen. Das haben wir schon gelernt. Als ich dann das Schiff entdecke, das im Seeeis eingefroren als Hotel dient, muss ich kichern und auch auf den Schlitten hinter mir macht sich ein Anfall von Heiterkeit breit. Der Brite gluckst. Ein „ship“ sei ihm auch lieber, denn „shit in the ice“ habe er genug gehabt. Die Noorderlicht ist auch mir bedeutend lieber und wir rasten kurz, bevor es weiter geht.
Walter bremst freilich wieder viel zu spät mit seinem Schlitten. Er nickt des Öfteren mal ein und wir haben uns langsam daran gewöhnt, dass sein Schlitten noch 10 m an unseren vorbei saust, bevor er anhält.
Die Laune steigt weiter, als der Brite ein seltsames Himmelsobjekt entdeckt. Und dies lauthals kund tut. („Ahhhh… loooook…. A strange object in the sky! I’m bliiiiind !“) Am Ende unseres Trips kommt sie langsam heraus und zeigt sie sich tatsächlich doch noch ein paar Stunden. Die Sonne.
Das Wetter klart auf während wir uns auf unserer letzten Etappe einen Pass hinauf quälen, von wo aus es zurück ins Tal bei Longyearbyen geht, wo Antons Huskyfarm liegt. Während dem Weg nach oben möchte ich ihn erwürgen und fluche vor mich hin, doch natürlich schaffen wir auch das.
Auch Walter haben wir nicht verloren und kehren vollzählig zurück. Ziemlich geschafft, aber auch randvoll mit Eindrücken. Die Verabschiedung von unserem Guide findet quasi nicht wirklich statt. Plötzlich ist er weg und überlässt den Rest lieber seiner Frau. Sie ist es auch, die mit uns in das ehemalige Funken Hotel (heute Spitsbergen Hotel) zum Abschiedsessen geht. Ob unseren Guide wirklich der Virus erwischt hat oder ob er einfach genug davon hat mit Fremden reden zu müssen wissen wir nicht, aber es ist ok. Die Finnin ist wesentlich redseliger und offener und verbringen einen schönen letzten abend gemeinsam.
Danke an dieser Stelle auch an Anton. Ja, er war ein kauziger und mürrischer Zeitgenosse, dem ich zwischenzeitlich den Hals hätte rumdrehen können, aber er war kein schlechter Guide. Wir alle waren sicher bei ihm. Jederzeit.
Wir verbringen noch ein paar wenige Tage auf Spitzbergen in Longyearbyen, erkunden den Ort.
Alleine einkaufen ist ein Erlebnis. Egal wo man hin kommt, es ist immer das gleiche Spiel: Erstmal raus aus der dicken Winterkleidung und den Schuhen und den Stiefeln. Und so kauft man auch in Socken oder Schlappen ein. Teils in Skiunterwäsche.
Wir besuchen die kleine Kirche von Longyearbyen, die offen ist für Alle. Es gibt Sessel vor dem eigentlichen kleinen Altarraum und Waffeln. Auf Socken gehe ich nach vorne um eine Kerze anzuzünden und kurz inne zuhalten. Lange brennt diese jedoch nicht. Vor dem Verlassen des Holzgebäudes ist jeder dazu angehalten alle Kerzen wieder zu löschen.
Auch das Museum sehen wir uns an, die Sonnenuhr und machen einen Snowscooterausflug.
Letzteres würde ich nicht mehr tun. Diese Landschaft muss man ohne lärmende Motoren erobern, wenn irgend möglich. Das habe ich gelernt.
Egal wo wir hin kommen, wir werden gefragt was wir unternommen haben und die Reaktion ist immer die Gleiche. Ein Schmunzeln, gefolgt von einem „Oh Anton … Aber er ist der Beste“. Wir schmunzeln auch und verstehen uns. Der Ort ist klein, es gibt nur Wenige die dauerhaft hier leben. Sicher gibt es auch Familien hier. Einen Kindergarten. Eine Schule. Aber dennoch ist die Verweildauer im Schnitt eher kurz. Es ist eine kleine Gemeinde die über die Jahre bleibt. Man kennt sich.
Irgendwann wird es Zeit diesen Ort zu verlassen. Es fällt mir schwer. Ob ich je wieder komme weiss ich nicht. Aber es nutzt nichts und so machen wir uns auf zum Flughafen. Wir sind die Ersten und stehen einen kurzen Moment völlig alleine in der Halle, ehe die Lichter an und die Rollläden hoch gehen. Und so endet unser Abenteuer.
Mit einem erneuten Aufenthalt in Oslo geht es zurück nach Hause. Die Erfahrung nehmen wir mit und auch 9 Jahre später bin ich noch immer dankbar, dass wir das von der verrückten Idee auf der heimischen Couch bis zum Zelt in der Arktis tatsächlich durchgezogen haben. Dankbar für all die Eindrücke und Erlebnisse.
Und jetzt? Jetzt gibt es ein Stück Spitzbergen-Gedächtnis-Kuchen auf der Couch, ich schwelge noch etwas in Erinnerungen und freue mich auf weitere Reisen.
Und ihr? Welche Reise hat euch nachhaltig geprägt oder verändert?
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