Finnland, Entschleunigung und eine Holz-Sauna – Neues von der Bucket List
Vor der Sauna steht die Anreise. 11 Tage ist es her, da hat uns die Fähre in Helsinki ausgespuckt und wir (der Kaiser, die Räubertochter und ich) haben unseren Sommerurlaub in Finnland gestartet. Schon die Fährfahrt zeigt, daß die Reise unter einem guten Stern steht. Wir lernen unerwartet liebe Menschen kennen und genießen die wahrscheinlich kurzweiligste und lustigste Fährüberfahrt überhaupt. Tine von Finnweh ist völlig zufällig auf der gleichen Fähre und hat den Moment als wir (endlich) auf die Fähre fahren durften für die Nachwelt fest gehalten.
Es ist eine wirklich schöne Anreise. Sonnenbrand gibt es leider gratis dazu. Aber wer sich gut unterhält, der kann die Sonnencreme schon mal vergessen.
Nachdem wir der Herzensstadt wenigstens einen Kurzbesuch abgestattet haben, geht es weiter gen Osten. Bei bestem Wetter über Porvoo, Kotka und Lappeenranta (weitere Berichte folgen) nach Anttola. Bei der Routenplanung hatte ich einen kleinen Campingplatz entdeckt, der schien, als könne man hier mal einen Tag entschleunigen. Nicht, dass wir sonst hetzen würden, aber man ist ja auf so einer Reise doch recht viel unterwegs und ist manchmal überwältigt von so vielen Eindrücken, die sich setzen müssen. Auch die Räubertochter möchte einfach mal nur spielen, der Kaiser angeln und Boot fahren und ich einfach mal so sein.
So lenken wir unser rollendes Mökki auf den kleinen Campingplatz. Lakeistenranta Camping. Klein und familiär. Unter Bäumen, auf der Wiese, direkt am Wasser. Ja, genau so muss das sein. Auch kleine hölzerne Mökkis kann man hier mieten. Wir werden freundlich begrüßt und kommen direkt ins Gespräch. Das Kartenlesegerät will mal wieder nicht, derzeit hätten sie Probleme mit dem Empfang. Macht nichts, das kriegen wir hin. Während wir warten, sehe ich mich in dem kleinen, weissen Holzhaus um, in dem sich die Rezeption befindet. Es gibt Mini-Tütchen mit Süßigkeiten zu erschwinglichen Preisen für kleine Leckermäuler, Korvapuusti, Kaffee und vor allem gibt es etwas, dass am Wichtigsten ist: Atmosphäre. Man fühlt sich wohl und willkommen. Im Frühstücksraum sieht es ein bisschen aus, als wäre man privat eingeladen. Hier steckt Herzblut drin.
Nachdem wir die Anmeldung erledigt haben, stellen wir unser Gefährt auf der Wiese ab mit Blick aufs Wasser.
Und natürlich laufen wir als allererstes ans Ufer. Hier stehen Holzstühle bereit und laden zum Verweilen ein. Ja, hier ist man definitiv willkommen. Es sind diese kleinen Dinge, die wir zu schätzen wissen.
Es ist schnell klar, dass wir nicht nur eine Nacht bleiben und so bauen wir unser Kanu auf. Es ist ein 5,50 m „kleiner“ Falt-Kanadier, dessen Bauplan der Teufel geschrieben haben muss. Aber der Kaiser hat sein System und so gelingt der Aufbau auch diesmal.
Beim Erkundungsgang entdecke ich auch eine Sauna und finde, dass ist der richtige Ort um der Bucket List ein weiteres grünes Häkchen zu spendieren. Denn auch wenn es ein bisschen peinlich ist, muss ich gestehen, noch nie in Finnland in der Sauna gewesen zu sein. Das muss sich ändern. Beim Buchen der Verlängerung, frage ich nach der Sauna und die Augen des Finnen beginnen zu leuchten. Sie hätten auch eine elektrische Sauna, aber ich würde ja sicher die Holzsauna bevorzugen. Tietysti – Natürlich, sage ich und der Finne nickt wohlwollend. Heute abend um 18.00 h wäre die Sauna für uns bereit, aber er könne uns gerne schon einmal herum führen, das würde ihm nichts aus machen. Ein Nein wäre äußerst unpassend und so folgen wir ihm. Voller Stolz präsentiert er uns die Sauna aus den 60ger Jahren, die zwischenzeitlich immer mal renoviert wurde. Eine Pumpe bringt Seewasser in den Vorraum, Holz liegt neben dem Ofen bereit und er erklärt uns auch ausschweifend das Belüftungssystem, dass für eine angenehme Atemluft sorgt. Wir sollen auch unbedingt Birkenzweige binden und die Saunavasta mitnehmen. Er könne jetzt gar nicht so genau erklären warum sie das eigentlich täten, aber es würde gut tun, das würden wir schon merken. Ebenso wie die Holzsauna mit ihrem speziellen Klima und der Sprung in den kalten See. Das würden wir doch der Dusche vorziehen, oder? Tietysti ! Wieder nickt er wohlwollend und verliert sich ein bisschen in Lobhudeleien auf die Saunakultur an sich, bevor er uns entlässt mit dem Hinweis, dass er um 17.00 beginnt für uns einzuheizen.
Derweil lassen wir das Kanu zu Wasser und paddeln ohne festes Ziel ein wenig über den See. Wir picknicken unterwegs und geniessen einfach die Zeit auf dem Wasser. Auch die Räubertochter hat ein kleines Paddel und hilft dann und wann mit. Sie ist schon gespannt auf die Sauna am Abend, ist es doch für sie der erste Saunagang überhaupt.
Die Räubertochter lässt den Kanadier zu Wasser
Als wir zurück kommen, steigt schon bald Rauch aus Richtung des kleinen Holzhäuschens auf und wir machen uns auf den Weg. Mit Saunavasta. Tietysti.
Auf dem Holzsteg, der in die eine Richtung hoch zur Sauna und in die andere Richtung zum See führt liegen Teppiche, es stehen Wildblumen an der Treppe und eine Schüssel um uns später den Sand von den Füßen zu spülen.
Die Räubertochter ist schon ganz aufgeregt und so betreten wir das Heiligtum und schon allein der Geruch, der von der Sauna ausgeht, entspannt.
Glücklich sitzen wir auf den alten Holzbänken. Der Kaiser, die Räubertochter und ich. Wir reden leise, der Kaiser macht dann und wann einen Aufguss, auch die Birkenzweige kommen zum Einsatz und tatsächlich habe ich noch nie einen so angenehmen und entspannten Saunagang erlebt. Irgendwann laufen wir zum See, kühlen uns ab, um kurz darauf einen zweiten Gang zu starten. Auch die Räubertochter fühlt sich pudelwohl. Es ist einfach herrlich und am Liebsten würde ich die kleine Sauna einpacken und mit nach Hause nehmen.
Als wir entspannt zurück zum rollenden Mökki laufen, kommt uns der Finne entgegen und will wissen wie unser Saunagang war. Perfekt sage ich und er nickt zufrieden. Wir verstehen uns.
Als wir uns bei der Abreise verabschieden, entschuldigt man sich noch einmal dafür, dass das Kartenlesegerät am ersten Tag nicht ging, das seien eben so die Nachteile der ruhigen Lage. Das macht gar nichts, sage ich. Der Finne zuckt mit den Schultern. Es sei eben alles etwas einfacher hier und wenig Service. Ich stutze. Wenig Service? Wir hatten Natur pur, wurden freundlich, aber nicht aufdringlich umsorgt, die Anlagen waren älter und einfach, aber sauber, intakt und liebevoll geführt. Ich habe keinen Service vermisst. Wir haben uns sehr wohl gefühlt in dieser kleinen Oase und der Finne schmunzelt. Wir würden also verstehen, was die Philosophie des Platzes sei. Ja, das tun wir und genau das hatten wir auch gesucht. Er sagt es kämen viele Gäste aus Deutschland und das freut ihn, denn meist verstehe man sich recht gut, habe ähnliche Ansichten. Diesmal schmunzle ich. Irgendwie können sie gut miteinander die Finnen und die Deutschen. Tietysti, sagt der Finne und schmunzelt ebenfalls bevor er eine gute Reise wünscht und sich auf macht, das Holz in der Sauna aufzufüllen.
Die Bucket List (an deren Magie ich weiterhin glaube) bekommt einen Haken, der mit einer wunderbaren Erinnerung verknüpft ist und ich werde zukünftig jeden Saunagang an der kleinen Holzsauna von Lakeistenranta Camping aus den 60gern messen. Wir kommen irgendwann wieder. Tietysti.
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